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Betrug für Fortgeschrittene

Betrug für Fortgeschrittene

Von Petra Blum, Frederik Obermaier und Oliver Zihlmann

Es ist wohl der größte Steuerbetrug der russischen Geschichte, die russisch-amerikanischen Beziehungen belastet er bis heute, Sanktionen wurden erlassen, Gegenmaßnahmen verhängt: Russische Beamte haben gemeinsam mit Kriminellen 230 Millionen Dollar aus der Staatskasse gestohlen und über ein kompliziertes Geflecht von Scheinfirmen ins Ausland geschafft. Der Anwalt Sergej Magnitskij, der den Millionenbetrug aufgedeckt hatte, ist tot. Er starb in einer Isolationszelle eines Moskauer Gefängnisses. Die vermuteten Hintermänner des Betrugs sind noch immer auf freiem Fuß. Die Suche nach dem verschwundenen Geld dauert derweil an.

Ende April wurde bereits öffentlich, dass es offenbar Verbindungen gibt zwischen jenem Geflecht von Geldflüssen und Briefkastenfirmen, das Magnitskij aufdeckte, und einem der besten Freunde des russischen Präsidenten Wladimir Putin: dem Cellisten Sergej Roldugin. Gemeinsame Recherchen der Süddeutschen Zeitung und der Schweizer Sonntagszeitung zeigen nun, dass es in den Panama Papers noch weitere Verbindungen zu dem mutmaßlichen Millionenbetrug gibt. Sie führen unter anderem direkt ins Moskauer Rathaus.

Die Details sind kompliziert, um der Spur des Geldes folgen zu können, bedarf es eines Blickes zurück ins Jahr 2007. Damals nahm der große Steuerbetrug offenbar seinen Lauf: Polizisten stürmten in Russland die Büros von Firmen des Investmentsfonds Hermitage Capital. Die Beamten beschlagnahmten Siegel und Gründungsdokumente der Firmen. Dazu muss man wissen: In Russland hat man mit den Unterlagen dieselbe Macht wie der Unternehmenseigner - auch wenn einem die Firma nicht gehört.

Mithilfe der Dokumente wurden die Firmen kurz nach der Razzia auf mutmaßliche Komplizen der beteiligten Beamten überschrieben. Andere mutmaßliche Komplizen brachten die Firmen anschließend vor Gericht mit der Behauptung, sie seien betrogen worden. Sie beschuldigten Hermitage Capital, im Jahr 2006 andere Unternehmen, von denen nie jemand gehört hatte, um eine Milliarde Dollar geprellt zu haben - und bekamen recht. Eine Milliarde Dollar wurde daraufhin rückwirkend aus der Bilanz getilgt.

Die mutmaßlichen Komplizen der Beamten gingen dann zum Finanzamt und verlangten eine Rückerstattung der auf den vermeintlichen Gewinn bezahlten Steuern. Prompt wurden ihnen 230 Millionen Dollar überwiesen. Allein 153 Millionen Dollar soll an Heiligabend 2007 eine Steuerbeamtin namens Olga S. freigegeben haben.

Dem Ex-Ehemann von Olga S. gehörte eine Briefkastenfirma namens Aikate Properties Inc, deren Konto bei der Credit Suisse laut der SZ vorliegenden Gerichtsakten von den Schweizer Behörden eingefroren wurde, weil darüber Geld aus dem von Magnitskij offenbar aufgedeckten Steuerbetrug geflossen sein soll. Scheindirektor der Aikate Properties ist wiederum ein britischer Adeliger, der vielfach in den Panama Papers auftaucht. 2013 – mehr als fünf Jahre nach dem Versickern der 230 Millionen Dollar russischer Steuergelder, stellte Mossack Fonseca fest, dass er immerhin noch Scheindirektor von 87 Briefkastenfirmen war, mit denen Mossack zu tun hatte, über mindestens eine weitere Firma Vollmachten besaß und sogar als Inhaber von 35 Firmen eingesetzt war, für die Mossack in unterschiedlicher Art und Weise als Dienstleister zuständig war. Nicht ausgeschlossen, dass über eine diese Firmen auch Gelder des mutmaßlichen Millionenbetrugs flossen. Für eine Anfrage von SZ und Sonntagszeitung hierzu war der britische Adelige bis zum Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Eine weitere Spur aus dem Geflecht an Scheinfirmen, durch das die 230 Millionen Dollar aus Russland geflossen sein könnten, führt auch noch zu den Panama Papers: zu diesem Geflecht nämlich gehört mutmaßlich auch eine Firma namens Zibar Management. Bill Browder, der amerikanische Eigentümer von Hermitage Capital, nannte sie am 3. Mai 2016 in einem Hearing vor dem Home Affairs Committee des britischen Unterhauses. Browder zufolge gehört sie einem der Köpfe hinter dem mutmaßlichen Millionenbetrug.

Laut Bankunterlagen, die SZ und Sonntagszeitung einsehen konnten, überwies Zibar Management im Jahr 2012 336.153 Dollar auf das Konto einer estnischen Firma namens Transgroup Invest. Die wiederum gehörte damals Maksim Liksutow, dem amtierenden Moskauer Vize-Bürgermeister, zuständig für Transport und Straßeninfrastruktur. Er wird in den Panama Papers als Eigentümer einer 2007 auf Zypern gegründeten Offshore-Firma namens Cantazaro Limited genannt. Eine Anfrage der SZ ließ Liksutow unbeantwortet.