Eine Briefkastenfirma, bitte
Jede menschliche Einrichtung hat ihre eigenen Regeln, ihre Rituale. In einer Bäckerei geht es anders zu als etwa in einer Näherei. Der Ton in der Welt der Finanzinstitute ist für Außenstehende nicht so einfach zu verstehen. Er kann hart sein, aber auch sehr weich. Wenn kritische Anfragen wegen der Geschäfte des jeweiligen Geldhauses kommen, bedanken sich Banken – anders etwa als Industriekonzerne – meist sehr freundlich für die kritischen Fragen und versichern höflich, dass sie „im Rahmen des Möglichen gern antworten“ möchten. Das Mögliche ist meist sehr klein und wenig konkret. Irgendjemand muss den für heikle Fälle zuständigen Bankmitarbeitern gesagt haben, es sei klug, gleich zu erklären, dass man „zu Existenz und Umfang einzelner Geschäftsbeziehungen grundsätzlich keine Angabe“ machen dürfe: Geschäftsgeheimnis, Bankgeheimnis, Datenschutz.
So haben es auch viele der deutschen Geldhäuser gehalten, die im Rahmen der Recherche über die Panama Papers befragt wurden. Nur eine Bank wurde patzig: „Informationen weitgehend unrichtig. Keine Details wegen Bankgeheimnis“. Man kann es ja mal versuchen. Rührend war die Bitte eines Geldhauses, doch die Unterlagen, die Anlass zu den vielen Fragen gaben, mal einsehen zu dürfen, weil man sie leider nicht finden könne.
Insgesamt tauchen 28 deutsche Geldinstitute in verschiedenen Zusammenhängen in den Panama Papers auf, weltweit sind es sogar mehr als 500 Banken, alles was Rang und Namen hat, von der Deutschen Bank über UBS bis hin zur Royal Bank of Canada. Aber auch mittelgroße Geldhäuser, die der breiten Öffentlichkeit nicht geläufig sind, haben die Dienste der Kanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) aus Panama genutzt, um vermögenden Kunden Briefkastenfirmen zu verschaffen.
Die Banken haben den Daten zufolge bei Mossack Fonseca insgesamt 15.600 Offshore-Gesellschaften geordert, darunter auch harmlose Fälle. Harmlos ist, wenn von Banken finanzierte Schiffe und Flugzeuge auf den Cayman Islands registriert sind und die Firma, über die das läuft, in Panama sitzt. Nicht immer ganz astrein ist die Finanzierung von Immobilien über solche Offshore-Firmen, aber meist ist das sauber. Aber da sind auch all die Fälle, die den Verdacht nahelegen, dass sich zahlreiche Bankmitarbeiter – zumindest bis vor Kurzem – als willige Helfer verstanden haben. Nach allem was man sieht, haben sie massiv und systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet, in anderen Fällen mit ihrem Tun oder Wegschauen womöglich Kriminelle unterstützt, die sich auf Geldwäsche spezialisiert haben.
In der Welt der Steueroasen sind Banken neben Anwälten, Vermögensberatungen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die wichtigsten Mitspieler. Wer viel Geld hat und dem Staat wenig geben will, wendet sich in der Regel nicht selbst an Firmen wie Mossfon. Es sind vielmehr Banker oder Anwälte, die den Kontakt herstellen. Sie halten die Offshore-Maschine am Laufen; sie beraten, bestellen, verwalten.
Im Prinzip ist das einfach: Die Bank ordert für ihren Kunden eine Firma mit Fantasienamen und Sitz in einer Steueroase, Strohmänner führen offiziell die Geschäfte und der Rest ist Schweigen. Die wahren Bevollmächtigten, die Anteilseigner oder Besitzer sollen nie bekannt werden. Ein früherer amerikanischer Steuerfahnder hat solche Firmen mal als Fluchtwagen für Kriminelle bezeichnet. Sie sorgten dafür, meinte er, dass Straftäter davonkämen.
Wie die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Banken und Mossack Fonseca funktioniert, lässt sich in den Panama Papers vielfach nachvollziehen. In den 11,5 Millionen Dokumenten findet sich zum Beispiel ein Schreiben, das ein Mitarbeiter der Kanzlei im Dezember 1998 verfasst hat. Adressiert ist es an die Commerzbank in Luxemburg, der Mossfon-Mitarbeiter referiert darin Ausführungen, die er von Jürgen Mossack höchstselbst erhalten habe, dem Mitgründer der Kanzlei, und diese lesen sich wie eine Bedienungsanleitung für die Konstruktion von Briefkastenfirmen und deren Konten. So heißt es im Brief:
Generell ist eine Konstruktion möglich, bei der ein Privatkunde weder Kontoinhaber noch wirtschaftlich Berechtigter ist (...) Das setzt jedoch die Einschaltung von Dritten voraus und führt somit zu einer Struktur, die absolutes Vertrauen des Privatkunden in die Drittperson(en) voraussetzt.“
Die Dritten: Damit sind wohl die Banken und Mossfon gemeint. Mossack erklärt danach, wie der Kunde sein Vermögen in eine Stiftung in Panama packen könne, ohne nach außen als Begünstigter aufzutreten: „Als Begünstigter wird eine dritte Person (z.B. das Rote Kreuz oder ein Verwandter, der außerhalb der EU seinen Wohnsitz hat) eingesetzt. Der Stiftungsrat wird von Mossfon-Nominees (...) gestellt. Der Stiftungsrat kann anschließend die Begünstigten abändern und die vom Privatkunden genannten Personen ernennen.“
Mit anderen Worten: Das Rote Kreuz wird zu Tarnung in die Gründungspapiere eingesetzt; wer in Wahrheit von der Stiftung profitiert, bleibt unklar. Zum Abschluss erklärt Mossack unverblümt, was der Kunde der Bank davon hat:
Er hat den Vorteil, gegenüber deutschen Steuerbehörden wahrheitsgemäß die (...) Fragen zur Kontoinhaberschaft, zur wirtschaftlichen Berechtigung und zu den Vollmachten verneinen zu können.
Darum also geht es: dem Finanzamt möglichst wenig zu sagen, ohne zu lügen.
Mossack Fonseca betonte auf Anfrage, dass man Kunden keine „Lösungen“ anbiete, um gegen Gesetze zu verstoßen und bei der Steuer zu betrügen. Die Kanzlei zieht dabei eine feine Trennlinie zwischen der illegalen Steuerflucht, die sie nicht billige – und der Steuervermeidung, die darauf abziele, Vorteile bestehender Gesetze zu nutzen oder eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. „Solch ein Verhalten ist absolut legal.“
Richtig in Fahrt
Insgesamt haben nach Erkenntnissen von SZ, NDR und WDR mindestens 14 deutsche Banken bei Mossfon insgesamt mehr als 1200 Briefkastenfirmen gegründet oder für ihre Kunden verwaltet. Allein die Deutsche Bank setzte bis 2007 mehr als 400 Offshore-Firmen auf. Fünfzig davon sind laut der vorliegenden Daten noch aktiv, allerdings wird die Deutsche Bank den Panama Papers zufolge bei den meisten nicht mehr als Vermittler geführt, sie hat dieses Geschäft weitgehend abgegeben.Auch die Commerzbank, die Hypovereinsbank, die frühere
Landesbank Rheinland-Pfalz und die Bayern LB haben mitgemacht, in der Regel
über ihre Auslandstöchter. Hinzu kommt der Sonderfall DZ Bank. Sie hat sich
diese Geschäfte über den Kauf eines ausländischen Instituts offenbar nebenbei
ins Haus geholt. Sechs der sieben größten deutschen Banken haben für ihre
Kunden Offshore-Firmen verwaltet oder tun dies noch.
Nun ist es keine neue Diagnose, dass deutsche Geldinstitute schon eine Weile vom guten Weg abgekommen sind. Es gab ja eine erstaunliche Abfolge von Skandalen. Die Ökonomen unter den Bankmanagern haben sich dabei lange Zeit auf den 2006 verstorbenen Nobelpreisträger für Wirtschaft, Milton Friedman, berufen, der gesagt hatte, die „Ethik des Unternehmens besteht darin, den Profit zu steigern“. Ein bisschen untergegangen ist dabei manchmal Friedmans späterer Hinweis, dass soziale Verantwortung für Unternehmen, die in einem Markt auftreten, in dem es auf Reputation ankomme, ebenfalls vernünftig sein könne. Gier sei unvernünftig.
Auch vielen Bundesbürgern galt die Umgehung von Moral und Regeln zum eigenen Vorteil als pfiffig. Ein Cleverle eben, sagte man früher. Die Maßstäbe, auch die moralischen, schwankten jedenfalls – manchmal sogar zwischen null und hundert. Oder wer hätte es für möglich gehalten, dass Größen der Gesellschaft wie der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel oder der ehemalige Präsident des Fußballvereins FC Bayern München, Uli Hoeneß, wegen Auslandskonten und der damit zusammenhängenden Steuerhinterziehung vor Gericht erscheinen müssten? Hoeneß musste ins Gefängnis, Zumwinkel kam mit zwei Jahren Haft auf Bewährung davon.
Richtig in Fahrt kamen die Geschäfte deutscher Banken mit Mossfon vor gut zehn Jahren, voraus ging eine eigentlich gut gemeinte Entscheidung der Politik: Am 1. Juli 2005 trat die Europäische Zinsrichtlinie in Kraft. Seitdem tauschen die Steuerbehörden der EU-Länder untereinander Informationen über Konten von EU-Bürgern aus. Ein deutscher Staatsbürger, der sein Vermögen auf französischen Konten parkt, kann seine Zinserträge seitdem nicht mehr vor der deutschen Steuerbehörde verstecken. Die Schweiz, Luxemburg und Österreich erheben eine sogenannte Quellensteuer auf Zinseinkünfte von Ausländern – das Geld soll an die Heimatstaaten gehen. Die Zinssteuerrichtlinie hat jedoch eine große Schwachstelle: Der Informationsaustausch bezieht sich nur auf Konten von natürlichen Personen. Ist der Kontoinhaber eine Firma, können weiter Steuern hinterzogen werden. Die Folge: Steuerhinterzieher gründeten rund um das Jahr 2005 Tausende Briefkastenfirmen – mit Unterstützung deutscher Banken. Dies geht aus den Panama Papers klar hervor, wie diese Grafik zeigt:
So schreibt der Luxemburger Statthalter von Mossfon Mitte Mai 2005 an seine Chefs in Panama:
...es sollte keine Überraschung für Sie sein, wenn ich Ihnen sage, dass die Verkäufe in Europa extrem gut laufen.
Er habe allein in diesem Monat schon 20 Firmen auf den Britischen Jungferninseln, zehn auf den Seychellen und 85 in Panama verkauft. Er rechne mit einer „großen Zahl von Last-Minute-Bestellungen“ vor dem 1. Juli, ihm gingen aber allmählich die Firmen aus. Ob man ihm auf die Schnelle 50 neue Panama-Firmen überlassen könne? „Ich verspreche, dass diese Firmen in den nächsten Wochen alle verkauft werden.“
Wie kuschelig, ausweislich der Panama Papers, die Beziehungen zwischen den Banken und Mossack Fonseca dabei waren, zeigen die E-Mail-Konversationen und Niederschriften von Gesprächen zwischen Mossfon-Mitarbeitern und Bankberatern, in denen beide Seiten unverblümt über ihre Geschäfte sprechen – man war ja unter sich.
Mitarbeiter einer deutschen Privatbank etwa erzählen demnach den Mossfon-Beratern, dass ihre deutschen Kunden regelmäßig Bargeld in die Luxemburger Filiale bringen – wegen der deutschen Steuerbehörden. Mitarbeiter einer Landesbank erklären bei einem Treffen am 24. August 2010, dass sie zwar „strikte Order“ hätten, keine Briefkastenfirmen mehr anzubieten – wenn ein Kunde aber nachfrage, biete man sie freilich weiter an. Und so machte es die Bank schließlich auch.
Der Umgang mit Briefkastenfirmen war, wie der Mailverkehr zwischen den Banken und der Kanzlei zeigt, ein Alltagsgeschäft:
Guten Morgen, ich hoffe, Sie hatten ein gutes Wochenende.
Das schrieb ein deutscher Investmentbanker aus Luxemburg am 9. Oktober 2006 an einen Mitarbeiter von Mossfon. Er bat darum, eine Liste mit Vorschlägen für Namen von Briefkastenfirmen zu bekommen. „Hallo“, antwortete der Mossfon-Berater umgehend: „Sollte Ihr Wochenende so gut gewesen sein wie meins, dann wird’s wohl eine tolle Woche; anbei die Liste“. Nur ein paar Stunden später meldet der Banker Vollzug: „Aus der Liste möchte unser Kunde die folgenden Gesellschaften auswählen: Alexandria Business, Medgar S.A., Ottawa Overseas“. Drei Firmen auf einen Schlag also.
So geht es eben zu im diskreten Offshore-Geschäft: Man kauft aus dem Katalog – wie bei Amazon, man entscheidet binnen wenigen Stunden, diese Briefkastenfirma zu kaufen – oder eben jene, falls ein anderer Käufer schneller zugeschlagen hat. So schreibt der Mitarbeiter einer Landesbank leicht pikiert am 20. Mai 2005 an seine Kontaktfrau bei Mossack Fonseca: „Bitte übersenden Sie uns die Dokumentation für Sandonyx Corporation (als Ersatz für die vergriffene Weram Development S.A.).“ Und wo man schon dabei ist: „Bitte reservieren Sie für uns Arkeley Development Corp und Ikara Enterprises S.A.“
Namen sind wie Schall und Rauch in diesem Geschäft. Wie die Briefkastenfirma heißt – egal. Hauptsache, die Firma sitzt in der richtigen Steueroase und alles wird so diskret wie möglich abgewickelt.
So hakt zum Beispiel eine Mitarbeiterin der Deutschen Bank, die in der Steueroase Guernsey im Ärmelkanal arbeitet, am 5. März 2014 bei ihrer Ansprechpartnerin von Mossack Fonseca nach, wie es denn um den Datenschutz in Panama bestellt sei: Dieser sei ja „nicht so hoch wie in anderen Jurisdiktionen“, schreibt sie in der Mail; ein Kunde der Bank zögert deshalb. Die Mossfon-Mitarbeiterin versucht in ihrer Antwort an die Deutsche Bank alle Zweifel auszuräumen – aus heutiger Sicht beinahe kurios: Das Datenzentrum der Kanzlei in Panama sei „state-of-the-art“, für sämtliche Kommunikation nutze man einen „Verschlüsselungsalgorithmus“, und dieser entspreche selbstverständlich „den höchsten Weltklasse-Standards“.
Gerade aber weil solche diskreten Geschäfte auf gegenseitigem Vertrauen beruhen, treffen sich die deutschen Banker und ihre Verbindungsleute bei Mossack Fonseca auch immer wieder persönlich. Nachlesen kann man dies in den „Contact Reports“ aus den Panama Papers, in denen Mossfon die Gespräche mit den deutschen Bankern teils detailliert zusammenfasst. Mal traf man sich demnach in der Bank, mal dinierte man in diesem oder jenem feinen Restaurant in Panama City oder traf sich zu einem Essen in Barcelona.
Und mal hielt man auch gemeinsam einen Workshop in einer Steueroase ab, so wie am 5. Oktober 2012 auf der britischen Kanalinsel Guernsey. Los geht’s, so steht es im Protokoll von Mossack Fonseca, um neun Uhr mit Erfrischungen, um 9.30 Uhr dann der erste Seminarblock: Zwei Mitarbeiter von Mossack Fonseca erklären ein neues Gesetz, das auf den Britischen Jungferninseln erlassen wurde: Was ändert sich bei Firmennamen, Direktoren, Aktien? Nach der Kaffeepause erläutert dann ein anderer Mossfon-Mitarbeiter, wie man eine Briefkastenfirma auf den Jungferninseln wieder auflöst, wenn sie nicht mehr gebraucht wird. Anschließend Fragen, Erfrischungen, Erinnerungsfotos. „Insgesamt haben 43 Personen teilgenommen“, notiert der Protokollant von Mossfon.
Man kennt und schätzt sich
Aber nicht immer steht bei den Treffen zwischen den Bankern und Mossfon das Dienstliche im Mittelpunkt. Die Mitarbeiterin einer deutschen Bank erzählt zum Beispiel im Sommer 2004, dass sie und ihr Chef beim New-York-Marathon laufen werden und alle deswegen ganz nervös seien – auch diese Information erscheint der Kanzlei wichtig und wird notiert. Ein anderes Mal, ebenfalls im Sommer 2004, erzählt die Bankerin beim Restaurantbesuch in Panama, dass ihr Vertrag verlängert worden sei und sie, wie Mossfon freudig notiert, „weiterhin mit uns arbeiten wird“. Bei der Gelegenheit lässt die Bankerin auch schöne Grüße an Jürgen Mossack ausrichten, den Gründer des Offshore-Dienstleisters.Man kennt sich also – und man schätzt sich. Deshalb übernimmt die Bank der Marathonläuferin ein paar Wochen später, im September 2004, auch die Kosten für eine Reise eines Mossfon-Mitarbeiters nach Guatemala. Kunden sollten über neuartige Finanzprodukte informiert werden. Die Kunden: Da ist in dem Fall eine vermögende Familie, weshalb im Protokoll hinter deren Namen der Zusatz very confidential steht: sehr vertraulich. Der Mossfon-Mann spricht über die Wirtschaft in Panama und über private Stiftungen. Die Reaktion der Klienten sei „enthusiastisch“ gewesen, notiert ein Mossfon-Mitarbeiter, sie wollten fünf private Stiftungen mit Sitz in Panama gründen. Und im Übrigen sei er zu hundert Prozent sicher, dass die Bank aus Deutschland auch unabhängig davon weiterhin Stiftungen kaufen werde.
Die Panama Papers zeichnen das Bild einer Branche, die – teils vom Staat betrieben, teils von ihm mit Milliardenbeträgen unterstützt – Kunden hilft, den Staat und die Allgemeinheit zu schädigen; aber auch das Bild eines Teils der Gesellschaft, für den die Redensart „Jedem das Seine, mir das meiste“, nicht nur ein Spruch war.
Panama war dabei lange Zeit ein sicherer Hort für schmutziges Geld. Deutsche Behörden hatten viele Jahre keinen wirklichen Einblick, was da lief. Das änderte sich erst, als vor zwei Jahren ein Whistleblower Ermittlern aus Nordrhein-Westfalen interne Dokumente von Mossack Fonseca für knapp eine Million Euro verkaufte. Der Datensatz ist zwar schon ein paar Jahre alt und umfasst nur einige Hundert Offshore-Firmen – während die Panama Papers mehr als 214.000 Offshore-Firmen betreffen. Aber den Ermittlern reichten die überschaubaren Belege aus, um gegen mehrere deutsche Banken vorzugehen, deren Luxemburger Töchter betroffen waren.
Im Frühjahr 2015 holten sie zum Schlag gegen die Commerzbank aus und durchsuchten den Hauptsitz in Frankfurt sowie Wohnungen mehrerer Bankmitarbeiter und von fast hundert Kunden. Was sie fanden, waren eine Vielzahl von Belegen für Steuerdelikte. Die Commerzbank will danach rigoros aufgeräumt und sich von zweifelhaften Kunden getrennt haben. Andere Banken wiederum haben erst einen Teil ihres internationalen Privatkundengeschäfts abgestoßen und Auslandsfilialen geschlossen, als die EU-Kommission staatliche Finanzspritzen an strenge Auflagen koppelte. Die Commerzbank erklärt heute, man habe die Geschäfte schon 2008 „ohne äußeren regulatorischen Zwang, konsequent umgesteuert“, dies habe auch „die Staatsanwaltschaft positiv bewertet“.
Die Ermittlungen der deutschen Behörden sind noch nicht abgeschlossen. Inzwischen sind weitere Institute in den Fokus der Fahnder geraten, etwa eine Schweizer Tochter der Deutschen Bank, die im November 2015 bereits 31 Millionen Dollar Bußgeld an die US-Behörden überweisen musste, weil sie spätestens von 2008 an bis ins Jahr 2013 US-Bürgern bei der Umgehung ihrer Steuerpflichten geholfen haben soll. Das Unternehmen warb jahrelang auf einer seiner Webseiten für Offshore-Dienste: Mauritius etwa sei „eine steuerneutrale Umgebung“. Noch heute hat die Deutsche Bank Filialen in zahlreichen Steueroasen der Welt – Cayman Islands, Schweiz, Guernsey, Jersey, Luxemburg, Mauritius, Vereinigte Arabische Emirate.
Wie sehr sich etwa die Deutsche Bank den Wünschen der Kunden verpflichtet fühlt, zeigt ein internes Memo eines Mossfon-Mitarbeiters.
Zur Zeit verhandle ich mit DEUTSCHE BANK LUXEMBOURG über die Möglichkeit, unseren Service zu nutzen. Sie sind daran interessiert, Panama-Firmen zu nutzen, aber wie viele andere deutsche Banken haben sie ein Problem damit, die Namen des BOs hinter jeder Firma zu nennen.
Diese Haltung behält die Deutsche Bank bis in die jüngste Zeit: 2014 fragte ein Mossfon-Mitarbeiter im Rahmen eines routinemäßigen Sorgfaltschecks die Deutsche Bank auf Guernsey nach dem wahren Eigentümer einer noch aktiven Offshore-Firma. Die Deutsche-Bank-Mitarbeiterin verweigert die Kooperation, der Kundenname sei Tabu. Die Deutsche Bank bekam zuvor von Mossack Fonseca sogar Dokumente zugestellt, die von den Scheindirektoren blanko unterschrieben wurden. So konnte die Deutsche Bank die Anonymität ihrer Kunden wahren und deren Namen selbst in die Vollmachten eintragen.
Bestellt werden die Briefkastenfirmen dabei auch mal en gros, ein einzelner Mitarbeiter der Deutschen Bank, so ist in einer Mossfon-Notiz vom 1. Juni 2010 zu lesen, die in den Panama Papers enthalten ist, habe zum Beispiel rund zehn Briefkastenfirmen pro Monat geordert. Ein Jahr zuvor trifft eine Mossfon-Mitarbeiterin drei Banker, die für die Deutsche Bank in der Steueroase Guernsey arbeiten, und notiert danach: „Sie haben bestätigt, dass sie glücklich mit den Dienstleistungen von Mossack Fonseca sind.“ Ein anderes Treffen mit Vertretern der Deutschen Bank fasst ein Mossfon-Mitarbeiter wenige Monate später mit den Worten zusammen: „Das war ein sehr relaxtes, freundliches und positive Meeting, es besteht die Aussicht, dass dieser Kunde unsere Dienste in der Zukunft noch sehr viel mehr nutzen wird.“
Auf Fragen zu Mossfon oder Offshore-Kunden der Bank erklärte das größte deutsche Geldhaus: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir grundsätzlich keine Auskunft zu möglichen oder tatsächlichen Kundenbeziehungen geben.“
Konten für Briefkastenfirmen
Neben der Vermittlung von Offshore-Firmen verdienen oder verdienten deutsche Banken auch damit Geld, für Briefkastenfirmen Konten zu führen. Die HSH Nordbank etwa betreute zeitweise Konten von mindestens 23 Offshore-Gesellschaften. Spitzenreiter ist die Berenberg Bank mit Hauptsitz in Hamburg. Das Geldhaus an der Binnenalster ist eine feine Adresse; es ist das älteste Institut Deutschlands und die zweitälteste Bank der Welt. Von „Tradition“ und „Wertegerüst“ ist häufig die Rede, wenn über die 1590 gegründete Bank geschrieben wird.Zeitweise hatten ungefähr sechzig Offshore-Firmen ihre Konten bei der Schweizer Tochtergesellschaft von Berenberg. Unangenehm für die Bank war im Frühjahr 2015 die spektakuläre Festnahme eines Austro-Venezolaners, dem US-Ermittler vorwarfen, rund 100 Millionen Dollar für kolumbianische Drogenkartelle gewaschen zu haben. Er hatte ein Berenberg-Konto, das auch in der Anklageschrift aufgeführt wurde: „Alle darauf gehaltenen Gelder“, so heißt es, seien betroffen. Die Anklage gegen den Mann wurde im Januar fallen gelassen. Das Geld auf dem Konto wurde jedoch von den US-Behörden eingefroren. Auf Anfrage erklärte die Berenberg Bank, zu Kunden äußere man sich nicht. Internen E-Mails von Mossack Fonseca zufolge hat die Berenberg Bank Ende vergangenen Jahres ihre Geschäftsbeziehungen zu der panamaischen Kanzlei beendet.
Auf Anfrage zu den Geschäften erklärt die Bank in einer stilvollen Antwort, es sei zwar weiterhin gängige und legale Praxis, dass die Bank Konten für Offshore-Firmen führe. Aber auch die Berenberg Bank (Schweiz), die in den Mossfon-Unterlagen so gelobt wird, verwalte keine Firmen: „Es war nie Teil des Geschäfts der Berenberg Bank (Schweiz) AG, Offshore-Firmen zu gründen und zu vermarkten“. Berenberg mache nur Geschäfte mit Kunden, „die nach den rechtlichen Erfordernissen identifiziert sind“. Das betreffe „insbesondere die wirtschaftlich Berechtigten, die Feststellung der eingebrachten Vermögenswerte und die Plausibilität deren Ursprungs“.
In den Panama Papers finden sich zahlreiche Beispiele, bei denen fraglich ist, ob die beteiligten Banken wirklich wissen, mit wem sie gerade Geschäfte machen. Oder wie ist es zu verstehen, dass Kriminelle es offenbar nicht sehr schwer haben, ihr Geld über sogenannte Korrespondenzbanken zu waschen, ohne dass dies in der Regel auffliegt?
Und wie ist es zu verstehen, dass die Deutsche Bank Genf, ausweislich der Panama Papers, noch im Jahr 2012 Darlehenskonten für die Firmen Nescoll Ltd. und Nielsen Ltd. führte: zwei Offshore-Gesellschaften, die der Tochter des pakistanischen Premiers Nawaz Sharif gehören und die den Unterlagen zufolge sogar Mossack Fonseca nervös machen? Der Premier steht laut Weltbank bereits seit 2007 unter dem Verdacht, Gelder zu veruntreuen, und just in diesem Zusammenhang nennt die Weltbank auch die beiden Briefkastenfirmen, die Konten bei der Deutschen Bank Genf unterhielten. Die Deutsche Bank mochte auf Nachfrage keine Angaben zu Kundenbeziehungen machen.
Der neue Vorstandschef der Bank, John Cryan, hat im November vergangenen Jahres von seinen Mitarbeitern gefordert, für die „Überwachung unserer Geschäftsaktivitäten“ müssten „die höchsten Standards gelten“. In „bestimmten Regionen mit höherem Risiko werden wir das Onboarding von neuen Kunden und die Einführung neuer Produkte für bereits bestehende Kundenbeziehungen aussetzen“. Auch bei der „Fortführung bestehender Kundenbeziehungen“ müsse das Haus „über ein tiefes Verständnis sowohl der Identität des Kunden als auch dessen Ziele verfügen“.
Nimmt man das als Maßstab, dann müsste die Deutsche Bank nun eigentlich sehr viel mehr ändern, als bloß den Leitspruch auf einer ihrer Webseiten umzuformulieren. Der hieß lange Zeit: „Seit über 30 Jahren Offshore-Finanzdiensten verpflichtet“. Die Bank, konfrontiert mit den Erkenntnissen aus den Panama Papers, versichert jedenfalls: Man werde das tun – und sei längst dabei.
Mitarbeit: Petra Blum, Hans Leyendecker