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Kundschaft aus Pjöngjang

Kundschaft aus Pjöngjang

Von Christoph Giesen

Eine E-Mail versetzte am 8. September 2010 die Mitarbeiter von Mossack Fonseca in Unruhe: Ein Manager der First Caribbean Bank schrieb an den Offshore-Dienstleister, sein Institut sei mit einer nordkoreanischen Firma in Verbindung gebracht worden. Der Name: Phoenix Commercial Ventures Limited.

xx@firstcaribbeanbank.com

Hi D., We just spoke. FCIB has been reported in a foreign newspaper as having been involved in assisting Taiwanese and North Korean companies with their banking transactions in spite of International Sanctions. On checking through the list of names, Phoenix Commercial Ventures came up as being registered through your offices on July 26, 2005.

Die Sache sei eilig, er müsse wissen, ob über Konten von Firmen, die Mossack Fonseca verwaltet, tatsächlich Geld aus Nordkorea an die Bank geflossen sei. Notfalls müsse die First Caribbean Bank ihre Geschäftsbeziehungen mit Mossack Fonseca abbrechen.

Die aufgeschreckten Angestellten der panamaischen Anwaltskanzlei machten sich auf die Suche in ihrer Datenbank. Tatsächlich: Phoenix Commercial Ventures – registriert auf den Britischen Jungferninseln – existierte. Als Geschäftsadresse diente das Kulturministerium in Pjöngjang. Noch ein weiteres Unternehmen förderte die Recherche zu Tage: DCB Finance Limited, gegründet 2006 ebenfalls auf den Jungferninseln und verbunden mit dem Kulturministerium. An beiden Firmen waren, ganz offen, Nordkoreaner beteiligt.

Und beide hatten denselben Direktor: Nigel Cowie, Jahrgang 1962, britischer Staatsbürger.

Cowie war früher Investmentbanker in Hongkong. In den 1990er-Jahren führte ihn eine abenteuerlich anmutende Idee nach Pjöngjang. Er wollte ausgerechnet in einem der isoliertesten Staaten der Welt eine Bank gründen. Bei ihr sollten ausländische Investoren in Nordkorea ihr Geld anlegen können. Obwohl in dem kommunistischen Land nur ein paar Hundert Ausländer leben – die meisten sind Diplomaten oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen –, schien das nordkoreanische Regime dem Plan etwas abgewinnen zu können, es stieg sogar mit 30 Prozent bei der Daedong Credit Bank (DCB) ein. 70 Prozent der Anteile hielt Nigel Cowie selbst.

Den ersten Rückschlag musste Cowie im Herbst 2005 hinnehmen. Nachdem der damalige Diktator Kim Jong Il Inspektoren der Internationalen Atomaufsichtsbehörde des Landes verwiesen hatte, ordnete die amerikanische Regierung an, etwa 25 Millionen Dollar einfrieren zu lassen, die auf einer Bank in Macau lagen – angeblich Geld des Kim-Jong-Il-Regimes. Rund sieben Millionen davon gehörten allerdings Cowies Kunden, der Brite hatte es für sie aus Nordkorea geschafft. Nun war das Geld konfisziert, und Cowies Geschäftsmodell stand auf der Kippe, weil die meisten Geldinstitute in Asien mit Nordkorea nichts mehr zu tun haben wollten.

Was nach Bergbau klingt, ist in Wahrheit die Tarnorganisation für Nordkoreas Waffenhandel

Die Lösung: ein Nebeninstitut, offshore in der Karibik. DCB Finance Limited, bestätigt Cowies Anwalt, sei gegründet worden, weil die meisten korrespondierenden Banken die Konten des nordkoreanischen Instituts geschlossen hätten. Und wie einfach man eine Briefkastenfirma trotz nordkoreanischer Partner einrichten konnte, hatte Cowie spätestens im Juli 2005 gelernt, als er mit zwei Bekannten die Phoenix Commercial Ventures Limited hatte eintragen lassen. Eine Firma, die nach Geschäftspartnern in Nordkorea suchen sollte.

Für die DCB Finance Limited wählte Cowie eine Struktur ohne große Geheimniskrämerei, mit ihm selbst und dem damals 35-jährigen Kim Chol Sam als gleichberechtigten Anteilseignern und Geschäftsführern. Kim Chol Sam war damals Beamter im nordkoreanischen Kulturministerium. Bei einer Bank würde man eher mit einem Partner aus dem Finanz- oder Handelsministerium rechnen, allerdings: Um die Kultur kümmert sich in Nordkorea ausschließlich das Kulturkomitee – und das gleichnamige Ministerium ist eine Tarnorganisation der Staatssicherheit. Kim Chol Sams Karriere ist entsprechend beeindruckend: Einst einfacher Beamter, gilt er heute als einer der wichtigsten Devisenbeschaffer des Regimes, hat nahezu überall auf der Welt Einreiseverbot und ist dennoch viel unterwegs, oft in China, kürzlich wurde er angeblich in Ägypten gesehen.

Nicht alles davon konnte man bei Mossack Fonseca im September 2010 wissen, als die Alarm-Mail aus der Karibik eintraf. Doch selbst das, was man hätte wissen sollen, mussten sich die Mitarbeiter zusammenpuzzeln. Im Falle der nordkoreanischen Firmen waren in der Datenbank nicht einmal Kopien der Pässe der beteiligten Personen zu finden. Erst eine Agentur in Hongkong, an die sich Cowie bei der Offshore-Gründung gewandt hatte, leitete die Daten weiter. Wenig später beschloss die von dem Deutschen Jürgen Mossack gegründete panamaische Kanzlei, das Mandat niederzulegen, Mitte Oktober ging die Kündigung raus. Am 15. Januar 2011 endete die Geschäftsbeziehung – seitdem sind Phoenix Venture und DCB Finance Limited inaktiv. Fall erledigt?

Im Sommer 2013 setzte das US-Finanzministerium die Daedong Credit Bank und ihren inzwischen inaktiven Offshore-Arm auf die Sanktionsliste, weil sie den Verdacht hatte, dass seit 2007 über die Konten der Bank Geschäfte der Korea Mining Development Trading Corporation abgewickelt wurden. Das Unternehmen, dessen Name nach Bergbau klingt, ist wie sooft in Nordkorea eine Tarnorganisation, hinter der sich der staatliche Waffenhändler verbirgt. Wusste Nigel Cowie davon? Schriftlich teilt sein Anwalt mit: Cowie sei seit 2011 nicht mehr in der Finanzbranche tätig. Der Rückzug sei auch erfolgt, um nicht gegen etwaige Sanktionen zu verstoßen. Aus seiner aktiven Zeit bei der Bank sei Cowie zudem kein Fall bekannt, in dem gegen Sanktionen verstoßen worden sei.

Die Compliance-Abteilung von Mossack in Panama arbeitete einen Antwortvorschlag aus. Sie wollte erklären, dass die Kanzlei bereits 2010 beschlossen habe, sich als Verwalter dieser Firmen zurückzuziehen, und sich immer an geltendes Recht gehalten habe. Zudem seien die beiden Firmen bereits 2005 und 2006 gegründet worden – die verschärften Gesetze zur Geldwäsche seien, heißt es entschuldigend, jedoch erst 2008 in Kraft getreten.

Die Mossack-Juristin auf den Britischen Jungferninseln, die den Brief an die dortige Finanzaufsicht unterschreiben sollte, reagierte scharf: Sie werde die Erklärung auf keinen Fall unterzeichnen, teilte sie in einer E-Mail an den Stammsitz in Panama mit: „Die Antwort ist inadäquat.“

xx@Mossfon

Kindly note that I will not be in position to sign this letter in its current form as it appears we will not be in position to reply to the issues raised by the FSC. The response is inadequate

Spätestens seit 2004 hätte Nordkorea aufgrund der UN-Sanktionen als ein „Hochrisiko-Land“ eingestuft werden müssen, schrieb sie. „Haben wir jemals vor 2010 einen World Check durchgeführt?“

Wohl eher eine rhetorische Frage, denn ein World Check – der Abgleich von Namen mit den Sanktionslisten und gängigen Datenbanken – geschah entweder gar nicht oder inkonsequent. So konnte Nordkorea zwei Offshore-Firmen unterhalten, von denen mindestens eine im Verdacht steht, für illegale Waffengeschäfte benutzt worden zu sein.