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Briefkastenfirmen helfen bei Assads Krieg

Briefkastenfirmen helfen bei Assads Krieg

Von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Die Männer verluden gerade Kartoffeln, als die Fässer vom Himmel fielen. Die Erde bebte, Felsbrocken flogen durch die Luft, gefolgt von einer Wand aus Staub. Die Männer warfen sich zu Boden, einige suchten Schutz in einem Schuppen. Dann kam die Explosion: Tausende kleine Metallteilchen schossen durch die Luft und durchbohrten alles, was sich in ihrer Flugbahn befand.

Was sich an diesem Septembertag im Jahr 2012 in dem Städtchen Marea nicht weit von Aleppo abspielte, ist Alltag im Krieg in Syrien - jenem Gemetzel, in dem die Armee des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gegen diverse Islamisten-Gruppen kämpft, aber auch gegen die eigene Bevölkerung. Seit Beginn des Krieges hat die syrische Luftwaffe Tausende Fassbomben abgeworfen: simple Ölfässer, gefüllt mit Beton, Sprengstoff, Nägeln und anderem Metallabfall, um möglichst viele Menschen zu töten.

"Sechs oder sieben Menschen lagen auf dem Boden", erzählte ein Überlebender des Fassbombenangriffs von Marea später der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Der Anblick war grauenhaft. Ein Mensch war in zwei Teile zerrissen, andere schrien vor Schmerzen, einige hatten Beine und Arme verloren."

Der syrische Bürgerkrieg dauert schon fünf Jahre. Mehr als zehn Millionen Menschen sind auf der Flucht, mindestens 250 000 Menschen, vielleicht gar eine halbe Million tot, die meisten getötet von Assads Regime. Um dem Morden Einhalt zu gebieten, haben mehrere Länder, darunter die EU und die USA, schon 2011 Sanktionen gegen Assad, seine Familie sowie seine engsten Verbündeten verhängt. Einen Cousin Assads hat die USA sogar schon im Jahr 2008 mit Sanktionen belegt.

Doch das syrische Regime und seine Handlanger fanden, ausweislich der Panama Papers, offenbar diskrete Wege, um die Sanktionen zu umgehen und sich dringend benötigtes Geld oder Benzin für den Krieg zu beschaffen. Eine wichtige Rolle spielte dabei Mossack Fonseca (Mossfon), jene panamaische Kanzlei, die seit Anfang dieser Woche im Zentrum der Panama-Papers-Enthüllungen steht. Mossfon führte laut den Unterlagen mehrere Briefkastenfirmen, die in enger Nähe zum Regime von Assad standen. Offenkundig scherten sich entscheidende Leute bei Mossfon nicht wirklich um die Sanktionslisten der Amerikaner und Europäer und nahmen laut der Dokumente in Kauf, dass Sanktionen gebrochen werden konnten.

Der Fall zeigt, warum Diktatoren, Terrorgruppen oder kriminelle Organisationen Briefkastenfirmen nutzen, um Sanktionen unterlaufen und so weitermachen zu können wie zuvor. So finden sich in der Kundenliste von Mossack Fonseca allem Anschein nach sanktionierte Mitglieder von Drogenkartellen aus Mexiko und Guatemala, mutmaßliche Finanziers von Terrororganisationen wie Hisbollah und al-Qaida, Mittelsmänner von Autokraten wie Simbabwes Robert Mugabe, aber auch Firmen, die wegen ihrer Unterstützung für das iranische und nordkoreanische Atomwaffenprogramm sanktioniert wurden.

Assads Benzin

Mossfon bestreitet, Geschäfte mit sanktionierten Personen zu machen. Auf Anfrage des Internationalen Konsortiums Investigativer Journalisten (ICIJ) erklärte die Kanzlei, Personen mit Verbindungen nach Syrien oder zu anderen sanktionierten Staaten "niemals wissentlich" erlaubt zu haben, "unsere Gesellschaften" zu nutzen.

Insgesamt finden sich in den Panama-Papers jedoch Dutzende Personen und Unternehmen, mit denen Mossfon offenbar Verbindungen hat oder hatte und die auf Sanktionslisten stehen oder standen. In keinem Fall jedoch dürfte dies so gravierende Folgen gehabt haben wie in Syrien.

Dass Assad seinen Krieg bis heute mit unverminderter Härte weiterführen kann, liegt auch daran, dass ihm das Benzin nicht ausgeht. Trotz internationaler Embargos bekommt das Regime stetigen Nachschub, um seine Panzer auffahren und die Kampfflugzeuge starten zu lassen. Ein großer Teil der Lieferungen läuft nach Meinung von Experten über die Arabischen Emirate.

US-Behörden sehen schon länger eine Firma namens Maxima Middle East Trading als Knotenpunkt eines komplizierten Netzwerks von Firmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Syrien, der Schweiz und den Niederlanden, über die angeblich mittels gefälschter Papiere Benzin nach Syrien geliefert wurde. 2014 wurden das Unternehmen und sein Direktor daher auf die US-Sanktionsliste gesetzt.

Die Panama Papers zeigen nun: Maxima Middle East Trading wurde 2012 von Mossack Fonseca registriert.

Die Kanzlei half offenbar noch 2013, fast zwei Jahre nach Beginn des Krieges in Syrien, bei der Syria International Islamic Bank ein Konto für die Firma zu eröffnen. Die Bank war ein Jahr zuvor von der US-Regierung sanktioniert worden, weil sie das Assad-Regime mit Geld versorgt und geholfen haben soll, Sanktionen zu umgehen. In den Panama Papers ist kein Hinweis zu finden, dass Mossfon Anlass gesehen hätte zu handeln.

Neben der Maxima Middle East Trading sollen nach US-Angaben in den Benzinschmuggel auch zwei Firmen namens Pangates International Corporation Ltd. und Abdulkarim-Group verwickelt gewesen sein - diese beide hatten Verbindungen zu Mossfon. So war der von der EU als "Unterstützer und Nutznießer des syrischen Regimes" bezeichnete Eigentümer der Abdulkarim-Group lange Direktor der von Mossfon verwalteten Morgan Additives.

Morgan Additives erklärte auf Anfrage, seit Anfang 2015 sei der Mann nicht mehr in dieser Position, die Firma sei derzeit nicht aktiv.

Die Pangates International Corporation Ltd. taucht in den Panama Papers mit Sitz in drei Steueroasen auf: Sie wurde 1999 auf der Insel Niue im Südpazifik gegründet, dann nach Samoa verlegt, 2012 schließlich auf die Seychellen. Mittlerweile ist die Firma von den USA sanktioniert, weil sie laut US-Regierung "materielle Unterstützung sowie Güter und Dienstleistungen für die syrische Regierung zur Verfügung" gestellt hat. Und dennoch war die Firma nach ihrer Sanktionierung offenkundig noch ein weiteres Jahr aktiv.

Die genannten Firmen antworteten nicht auf eine Anfrage der SZ. Mossfon teilte mit, gesetzeswidrige Handlungen nicht zu fördern.

Krieg kostet Geld, und das Geld stammt in Syrien laut Geheimdienstexperten auch von einem Geschäftsmann namens Rami Makhlouf, der in den Panama Papers immer wieder auftaucht. Der Cousin von Assad gilt als der reichste Mann Syriens und als wichtigster "Finanzier des Regimes". Als Kinder waren er und Assad Spielkameraden, heute sind sie Verbündete.

Es ist nicht auszuschließen, dass Rami Makhlouf genau das Geld liefert, mit dem beispielsweise Giftgas herstellt wird, Foltergefängnisse unterhalten und die gefürchteten Schabiha-Milizen mit Waffen und Fahrzeugen ausgestattet werden. Bereits im Jahr 2008 - als deutlich wurde, dass sich eine kleine Clique mit dem Plazet Assads auf Kosten der Bevölkerung bereichert - setzen die USA ihn auf ihre Sanktionsliste. Makhlouf habe "missbräuchlich von der öffentlichen Korruption des syrischen Regimes profitiert und diese unterstützt", begründeten die USA dies.

Zu dem Zeitpunkt zählte Rami Makhlouf seit mindestens zehn Jahren zu den Kunden von Mossack Fonseca. Seit 1998 wurde er von der Kanzlei als Mehrheitsaktionär der Firma Polter Investments mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln geführt. 

Spätestens 2002 hätte Mossfon wohl klar sein können, wer Makhlouf ist - und wie eng er mit dem Regime von Assad verbandelt ist. In jenem Jahr trafen bei Mossfon Unterlagen zu einem Gerichtsfall zwischen Drex Technologies und einer ägyptischen Firma ein. Darin ist zu lesen, dass Rami Makhlouf "der Cousin mütterlicherseits des aktuellen syrischen Präsidenten ist". Dennoch teilte Mossfon noch im Jahr 2015 dem Schweizer Tages-Anzeiger mit: 

"Mossack Fonseca WUSSTE NICHT, dass Herr Makhlouf oder irgendwelche andere Assad-Verbündete indirekt unsere Dienstleistungen nutzen oder missbrauchen!"

Das war ausweislich der Panama Papers offenkundig falsch.

Rami Makhlouf war nach den Unterlagen auch noch Direktor beziehungsweise Anteilseigner von drei weiteren Firmen in den Panama-Papers: der Cara-Corporation, der Dorling International und der Ramak Limited, alle gegründet zwischen 1996 und 2006 auf den Britischen Jungferninseln und in Panama.

Und dennoch geschah nach dem Ausbruch des Kriegs in Syrien im Jahr 2011 zunächst nichts: Mossack Fonseca verwaltete weiterhin ein Geflecht von Firmen, das dem Regime des Machthabers Syriens zuzuordnen ist. Dabei gab es in der Kanzlei durchaus Leute, die deswegen Bedenken hatten. So wandte sich die Compliance-Abteilung von Mossfon, also jene Abteilung, die darauf achten soll, dass alle Richtlinien und Gesetze eingehalten werden, im Frühjahr 2011 schriftlich an die Partner und Geschäftsführer. Sie fragte, ob man wirklich weiter mit Rami Makhlouf Geschäfte machen und damit die Sanktionen brechen wolle, die seit 2008 gelten. Solle man nicht lieber auf die Makhloufs als Kunden verzichten? Wenn jemand auf einer Sanktionsliste stehe, sei das doch ein "ernstes Warnsignal", und man sollte sich von so jemandem distanzieren.

Ein Kanzleipartner jedoch wischte in einer E-Mail vom 17. Februar 2011 alle Bedenken vom Tisch: 

Absender: Chris Zollinger - Empfänger: Compliance Departement

"Von meiner Seite aus - wenn die HSBC in England kein Problem mit dem Kunden hat - dann denke ich, können wir ihn auch akzeptieren..."

Erst nachdem im Mai 2011 auch die Europäische Union dem Beispiel der USA folgte und ebenfalls Sanktionen gegen Makhlouf verhängte, wurden die Firmen nach und nach geschlossen. Am längsten von allen war die Firma Drex Technologies aktiv - sie wurde laut den Panama Papers erst etwa vier Jahre und zwei Monate nachdem Makhlouf von den USA im Jahr 2008 sanktioniert wurde, endgültig geschlossen.

Auf SZ-Anfrage äußerte sich Rami Makhlouf nicht zu der Angelegenheit. Mossfon erklärte, Makhlouf nicht gekannt zu haben, "bis sein Name und seine Verbindung in den Medien berichtet wurden".

Der Folterknecht

Neben Rami Makhlouf tauchen in den Panama Papers auch drei seiner Brüder auf, mithin ebenfalls Cousins von Assad. Wenn heute Hunderttausende Syrer ihr Land verlassen, dann ist ein erheblicher Teil dieser Menschen nicht auf der Flucht vor dem sogenannten Islamischen Staat - sondern vor Assad und Männern wie ihnen: Hafis Makhlouf, zeitweise zuständig für ein Foltergefängnis in Damaskus, außerdem angeblicher Hintermann des Giftgas-Angriffs auf die Stadt Ghuta im August 2013, bei dem Hunderte Syrer starben. Dazu: Ehab Makhlouf, Vize-Chef des Telekommunikationsunternehmens Syriatel, der das Regime offenbar mit Geld versorgt. Und: Eyad Makhlouf, Hauptmann in der syrischen Armee und Geheimdienstoffizier, mutmaßlich beteiligt an zahlreichen Angriffen auf syrische Zivilisten. Alle sind von der EU seit Mai 2011 sanktioniert, alle sind Teilhaber von Firmen, aufgesetzt und verwaltet von Mossfon, teils aktiv bis 2012.

Der Fixer

Auch ein Mann namens Suleiman Marouf war den Panama Papers zufolge Anteilseigner von mindestens einem halben Dutzend Briefkastenfirmen. Diese besaßen teilweise Immobilien in Großbritannien. Marouf hat den Ruf, der "Londoner Fixer" von Assad zu sein: Mittelsmann also für dubiose Geschäfte dort. Suleiman Marouf soll einen jener syrischen Propagandasender, die den Bürgerkrieg angeheizt haben, mit Millionen unterstützt haben. Er hat außerdem - das geht aus E-Mails hervor, die Wikileaks veröffentlicht hat - für Assads Frau Asma teure Ming-Vasen und Armani-Designer-Interior im Londoner Edelkaufhaus Harrods eingekauft, als diese in Europa längst persona non grata war.

Zehn Monate nachdem Marouf auf die EU-Sanktionslisten gesetzt wurde, kam die Compliance-Abteilung von Mossack Fonseca zu dem Schluss: "Gemäß unserer Risikobewertung sind diese Firmen als hochriskant einzustufen." Aber Suleiman Marouf blieb Kunde. 2014 wurde er auf Druck des britischen Außenministeriums von der EU-Sanktionsliste wegen "fehlender gerichtsfester Beweise" gelöscht.

Auf Anfrage erklärte eine von Marouf beauftragte Anwaltskanzlei, die früheren Sanktionen gegen ihren Mandanten basierten "auf falschen und unsubstanziierten Vorwürfen". Nachfragen zu Maroufs mutmaßlicher Tätigkeit für Asma al-Assad blieben unbeantwortet.

Mitarbeit: Will Fitzgibbon, Martha Hamilton