Doppeltes Spiel
Es war ein hartes Jahr für die Fifa: Ermittlungen der US-Bundespolizei FBI, Verhaftungen, Sperre für Sepp Blatter – eine Menge Arbeit auch für die scheinbar letzte Bastion der Aufrechten im Fußball-Weltverband, die Fifa-Ethikkommission. Das Gremium suspendierte den Präsidenten, zog Uefa-Chef Michel Platini, Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke sowie etliche weitere Spitzenfunktionäre aus dem Verkehr. Auch um Franz Beckenbauer, Chef des Organisationskomitees der WM 2006, und dessen Sommermärchen-Kombattanten hatten die Ethiker sich zu kümmern.
Die Glaubwürdigkeit der Kommission lebt vor allem von der persönlichen Integrität ihrer führenden Köpfe. Der Schweizer Jurist Cornel Borbély etwa hat schon einige harte Ermittlungsverfahren geführt, und der deutsche Chef der Spruchkammer, Hans-Joachim Eckert, war Strafrichter am Landgericht München. Man könnte erwarten, dass auch die Mitglieder der beiden Kammern handverlesen sind, als Korrektiv im angeschlagenen Verband. Manche der 14 Mitglieder wurden zu Blatters Zeiten berufen, drei sind seit Kommissionsgründung am 23. Oktober 2006 dabei. Einer von ihnen: Juan Pedro Damiani.
Voruntersuchung gegen Juan Pedro Damiani
Damiani, ein einflussreicher Anwalt aus Uruguay, ist einer der reichsten Männer seines Landes und Präsident des dort beliebtesten Fußballklubs, Peñarol Montevideo. Er sitzt in Eckerts Kammer über mutmaßlich korrupte Fifa-Mitglieder zu Gericht. Nun hat er selbst ein Problem: Die Ethikkommission hat wegen der Panama Papers eine Voruntersuchung gegen ihr eigenes Mitglied eingeleitet.
Denn zu Damianis Spezialitäten zählt offenbar auch das Verwalten von Briefkastenfirmen. Seine Kanzlei J. P. Damiani ist ausweislich der Panama Papers einer der wichtigeren Kunden des Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca (Mossfon): Rund 400 Firmen wurden oder werden von ihr betreut, darunter etliche, die in Skandale involviert waren. Ausgerechnet der Fifa-Ethiker Damiani war demnach auch Verwalter von Firmen, über die womöglich Fifa-Leute bestochen wurden.
Die Panama Papers zeigen, dass sich unter den Briefkastenkunden seiner Kanzlei auch drei Angeklagte im Fifa-Skandal befinden: sein Landsmann Eugenio Figueredo, ehemaliger Fifa-Vizepräsident, sowie die argentinischen TV-Rechtehändler Hugo Jinkis und dessen Sohn Mariano.
Vater und Sohn Jinkis sollen, so der Vorwurf der Ermittler der US-amerikanischen Bundespolizei FBI, Millionen an Schmiergeld für hohe Fifa-Funktionäre gezahlt haben, um günstig Fernsehrechte zu bekommen, die mit hohem Gewinn weiterveräußert werden sollten – zum Beispiel die Rechte für die Copa América, das südamerikanische Pendant zur Europameisterschaft. Als Vehikel für verdeckte Zahlungen sollen die Jinkis Briefkastenfirmen genutzt haben. Das US-Justizministerium erhob im Mai 2015 Anklage gegen sie und zwölf andere Personen, im Dezember 2015 gegen weitere 16, die auch mit Korruptionsvorwürfen zu tun haben sollen.
In den US-Anklagepapieren taucht immer wieder der Firmenname Cross Trading auf. Etliche Schmiergeldtransfers für die TV-Rechte-Deals sollen demnach über Cross-Trading-Konten gelaufen sein. Die Panama Papers zeigen nun: Hugo und Mariano Jinkis haben drei Briefkastenfirmen bei Mossfon gründen lassen, alle mit dem identischen Namen – Cross Trading. Sie sitzen in drei verschiedenen Steueroasen: auf der Insel Niue im Südpazifik, im US-Bundesstaat Nevada und auf den Seychellen. Die Firmen auf Niue und in Nevada verwaltete die Kanzlei J. P. Damiani.
Laut US-Anklage sollen zum Beispiel am 17. Juni 2013 fünf Millionen US-Dollar auf das Konto einer der drei Cross-Trading-Firmen bei der Hapoalim Bank in Zürich überwiesen worden sein. Das Jinkis-Duo hatte zuvor, gemeinsam mit anderen in den USA angeklagten Vermarktern, eine Agentur namens Datisa gegründet und darüber die Rechte der Copa-América-Turniere von 2015 bis 2023 sowie der Copa Centenario, des panamerikanischen „Jahrhundert-Turniers“, für 317 Millionen US-Dollar erworben. Im Gegenzug sollten insgesamt 110 Millionen Dollar an die Verantwortlichen zahlreicher Lateinamerika-Verbände fließen. 40 Millionen sollen schon gezahlt worden sein, als die Schweizer Polizei am 27. Mai 2015 auf Antrag der USA in Zürich sieben Fifa-Funktionäre festnahm. Die fünf Millionen für Cross Trading stuft das FBI als Ausgleichszahlung zwischen den beteiligten Schmiergeldfirmen ein.
Ein anderer Deal, bei dem die Briefkastenfirmen laut US-Anklage genutzt worden seien, soll so gelaufen sein: Im Herbst 2011 laden Vater und Sohn Jinkis die Verbandschefs von Honduras, Panama und ein Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees in ein Haus in Uruguay ein. Die drei Funktionäre sichern den Rechtemaklern zu, bei der Beschaffung von Vermarktungsrechten zu helfen, etwa für den Gold Cup in den USA. Die drei werden dafür belohnt: Einer erhält rund 250 000 US-Dollar, die anderen beiden je 100 000. Auch diese 450 000 US-Dollar stammen offenbar von einem Konto einer der Cross-Trading-Firmen.
Auf Anfrage von SZ und ICIJ äußerten sich Hugo Jinkis und Mariano Jinkis nicht zu den Vorwürfen.
Die Panama Papers zeigen nun, dass Damianis Kanzlei von der Gründung der ersten Cross Trading im Jahr 1998 auf der Karibikinsel Niue bis zur Abwicklung jener Firma in Nevada 2015 involviert war. E-Mails legen nahe, dass er sich persönlich einmischte, wenn er die Vertraulichkeit von Kunden gefährdet sah: Als etwa Mossfon-Mitarbeiter einen Umschlag mit heiklen Dokumenten geöffnet hatten, der zu Händen einer Cross Trading geschickt worden war, ging prompt eine Beschwerde von Damiani an Mossack Fonseca.
Bei wichtigen E-Mails, die zwischen seiner eigenen Kanzlei und Mossfon gewechselt wurden, war Damiani als Empfänger in Kopie gesetzt. Er hätte also manches wissen können, was in den Firmen der Jinkis vor sich ging, weil etwa Vertragsunterlagen auch an seine Adresse geschickt wurden. Die Kundenberater bei Mossfon wussten auch, dass sie es mit besonderen Leuten zu tun hatten. In einer E-Mail heißt es über die Jinkis, es handele sich um Kunden, die „ein spezielles Konzept von Vertraulichkeit“ erwarteten. Diese Vertraulichkeit organisiert hat Juan Pedro Damiani.
Auch wenn man zu dessen Gunsten annimmt, dass er bis zur Anklage der US-Justiz im Mai 2015 nichts von den Geschäftspraktiken des Jinkis-Duos wusste: Spätestens dann hätte der Anwalt aus Uruguay seine Verstrickung gegenüber der Fifa offenlegen müssen. Nach SZ-Informationen hat Damiani genau das aber bis Anfang April 2016 nicht getan. Auf Anfrage nimmt die Fifa dazu keine Stellung. Damiani lässt die Frage nach seiner Tätigkeit für Hugo und Mariano Jinkis unbeantwortet.
Der Fall Damiani ist doppelt brisant, weil der uruguayische Anwalt tatsächlich auf beiden Seiten der Korruptionsaffäre involviert ist. Seine Kanzlei organisierte nicht nur Briefkastenfirmen für diejenigen, die angeklagt sind, Schmiergeld gezahlt zu haben, sondern auch für einen, bei dem Schmiergeld angekommen sein soll.
Aufgeschreckt durch die Verhaftung
So arbeitete Damiani seit Ende der 90er-Jahre auch für Eugenio Figueredo, 84, den ehemaligen Fifa-Vizepräsidenten. Figueredo steht in Verbindung zu elf Offshore-Firmen, die von Mossfon gegründet wurden – mitsamt Scheindirektoren, um die wahren Besitzer zu verschleiern. Die meisten der Firmen, sieben, wurden von Damianis Kanzlei verwaltet und besitzen eine Reihe von Immobilien. Noch im Februar 2015 organisierte die Kanzlei Damiani eine Vollmacht für Figueredos Frau, wodurch sie für eine der Firmen handeln konnte – eine Firma, die inzwischen von uruguayischen Ermittlern durchleuchtet wird.
Aufgeschreckt wurden die Helfer bei Mossfon und in Damianis Kanzlei erst, als Figueredo am 27. Mai 2015 in Zürich verhaftet wurde. Am nächsten Tag jagten, zeigen die Panama Papers, aufgeregte E-Mails hin und her; Mossfon ließ die Scheindirektoren von Figueredos Firmen zurücktreten und die Vollmacht für dessen Frau widerrufen. Wenige Tage später, im Juni 2015, überlegte die Leiterin der Mossfon-Compliance-Abteilung in einer internen Mail, ob man bei Figueredos Immobilien ausschließen könne, dass das Geld dafür „aus dem Thema Fifa stammt“. Sie fragte: „Haben wir dafür Beweise in den Unterlagen über die Gesellschaft?”
Ende 2015 soll Figueredo, der inzwischen nach Uruguay ausgeliefert worden war, bei einer Befragung zugegeben haben, Schmiergeld kassiert zu haben; das schrieb die uruguayische Wochenzeitung Busqueda, die nach eigenen Angaben Unterlagen aus Figueredos Befragung einsehen konnte. Die Höhe soll Figueredo demnach auf rund 50 000 Dollar pro Monat beziffert haben. Er soll auch dargelegt haben, wie er das Geld reinvestiert habe, nämlich indem er illegale und legale Einkünfte vermischt und damit vor allem Immobilien in Uruguay gekauft habe. Figueredo soll erklärt haben, für die Immobilienkäufe panamaische Gesellschaften benutzt zu haben, die er von Damianis Kanzlei erhalten habe.
Im Januar 2016 sagte Damiani zum Fall Figueredo in Montevideo vor Gericht aus. Er erwähnte jedoch nur drei Offshore-Firmen, die er vermittelt haben will – statt der sieben, die in den Panama Papers zu finden sind.
Er sagte, seine Kanzlei habe nie Honorar von Figueredo erhalten und „niemals Güter versteckt“. Außerdem habe seine Kanzlei „die wenigen Informationen“, die man über die Firmen besessen habe, schon an die Ermittler weitergeleitet.
Wenige Informationen? Das erstaunt, weil seine Kanzlei ausweislich der Panama Papers auf Bitten von Mossfon eine ziemlich genaue Auflistung des Vermögens schickte, das ihres Wissens in den Briefkastenfirmen liege: eine Reihe Immobilien und ein Bankkonto. In dieser Mail vom 29. Mai 2015 ist auch von mehr als nur von drei Firmen die Rede.
Auf Anfrage von SZ und ICIJ im März erklärt ein Sprecher Damianis, wegen der laufenden Untersuchungen könne dieser nur beschränkt Auskunft erteilen. Damiani habe aber die Behörden und auch die Fifa-Ethikkommission informiert.
Ein Sprecher der Fifa-Ethikkomission bestätigt das auf Anfrage – allerdings habe Damiani das Gremium am Abend des 18. März 2016, einen Tag nach der Anfrage der SZ an ihn, über seine Geschäftsverbindung zu Eugenio Figueredo informiert. Daraufhin habe die Ethikkommission am nächsten Tag eine Voruntersuchung eingeleitet, um die Sachlage zu klären.
Die Kanzlei Mossack Fonseca erklärt, sie hätte nicht das geringste Anzeichen dafür, dass die von J. P. Damiani verwalteten Firmen mit irgendwelchen Unregelmäßigkeiten zu tun hätten.
Der Ethikhüter Juan Pedro Damiani: Nun ist er ein Fall für seine Kollegen.
Mitarbeit: Catherine Boss, Marcos García Rey