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Die Offshore-Datenbank – Ein Schleier wird gelüftet

Die Offshore-Datenbank – Ein Schleier wird gelüftet

Von Sara Schurmann, Ralf Wiegand und Vanessa Wormer

Einen Monat nach den Enthüllungen rund um die Panama Papers veröffentlicht das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) eine eigene Datenbank zum Leak. Darin zu finden sind die Namen und Adressen von mehr als 300.000 Briefkastenfirmen und Trusts, von ihren Vermittlern und einigen Tausend Anteilseignern.

Die Süddeutsche Zeitung erklärt hier, was die Datenbank ist - und was nicht.

Das unterscheidet die ICIJ-Datenbank von den Panama Papers

Die Panama Papers: So werden jene 2,6 Terabyte an Daten genannt, die eine anonyme Quelle der Süddeutschen Zeitung zugespielt hat. Es sind Kopien aus der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, einem der großen Anbieter von Briefkastenfirmen. Dieser Datenschatz besteht aus zwei Ebenen. Er enthält auf der ersten Ebene die Namen von rund 214.000 Offshore-Firmen sowie die Namen von Personen, die offiziell als Anteilseigner oder Eigentümer gelten – eine Art kanzlei-internes Register. Darüber hinaus gibt es aber eine weiterführende zweite Ebene: Originaldokumente wie E-Mails, Urkunden oder Passkopien, die im Zusammenhang mit den gelisteten Firmen stehen. Erst die Recherche auf beiden Ebenen kann in manchen Fällen die Verschleierung von wahren Eigentumsverhältnissen offenlegen, die auf der ersten Ebene allein nicht ersichtlich wäre. Wird etwa eine Firma durch eine anonyme Inhaberaktie gehalten, um den wahren Besitzer geheim zu halten, taucht nur diese Information auf der ersten Ebene auf. Erst durch die Dokumente der zweiten Ebene kann es sein, etwa durch Namensnennung in einer E-Mail, dass der Besitzer der Inhaberaktie erkennbar wird.

Panama Papers, SZ

Das ICIJ hat nur aus der ersten Ebene der Mossack-Fonsecka-Daten eine neue, eigene Datenbank erstellt. Die weiterführenden Originaldokumente der zweiten Ebene, der größte Teil des Leaks, sind in der ICIJ-Datenbank nicht enthalten.

Beispiel eins: Der Name von Lionel Messi, dem argentinischen Weltstar des Fußballs, taucht in der ICIJ-Datenbank nicht auf, weil die Firma, die ihm offensichtlich zur Hälfte gehörte, offiziell von einer anonymen Inhaberaktie gehalten wurde. Nur diese Information findet sich auf der ersten Ebene der Mossack-Fonseca-Daten. Erst, wenn man die dazugehörigen Originaldokumente recherchiert, stößt man auf den Namen Messi - auf eingescannten Verträgen.

Beispiel zwei: Einer der spektakulärsten Fälle der Panama Papers war jener des isländischen Ex-Premierministers Sigmundur Davíð Gunnlaugsson – der nach den Enthüllungen im April zurücktreten musste. Sein Name ist nun auch in der öffentlichen ICIJ-Datenbank zu finden. Gunnlaugsson wurde von Mossack Fonseca bereits auf der ersten Daten-Ebene gemeinsam mit seiner Frau als einer der Anteilseigner der Firma Wintris geführt.

Die Datenbank des ICIJ gibt also nur einen kleinen Teil des Datenleaks preis, das die Panama Papers ausmacht. Sie ist aber dennoch ein weiterer Schritt zu mehr Transparenz in der Offshore-Industrie. 

Geheimniskrämerei als Geschäftsmodell

Normalerweise werden in der dunklen Welt der Offshore-Industrie kaum irgendwelche Informationen öffentlich. Wer etwa im Fall des isländischen Ex-Premiers versucht hätte, auf den üblichen Wegen etwas über dessen Briefkastenfirma „Wintris Inc.“ auf den Britischen Jungferninseln herauszufinden, wäre schnell gescheitert. Aus dem öffentlichen Firmenregister der Steueroase geht lediglich hervor, dass die Kanzlei Mossack Fonseca am 8. Oktober 2007 den Namen Wintris Inc. hat reservieren lassen und diese Firma einen Tag später tatsächlich gegründet wurde. Viel mehr als diese Informationen gibt es nicht - gegen eine Gebühr in Höhe von 30 US-Dollar. Der Name des isländischen Ex-Premiers taucht im öffentlichen Firmenregister genauso wenig auf wie der seiner Ehefrau. Die beiden hielten über Wintris Millionen-Anleihen an den drei wichtigsten isländischen Banken, wie erst durch die Panama Papers bekannt wurde.

So funktionieren Steueroasen: Sie bieten Strukturen, um Firmen zu gründen, die von außen nicht zu durchschauen sind. In den meisten Steueroasen enthalten die Firmenregister nur spärliche Informationen. Die eingetragenen Direktoren sind meist nur Scheindirektoren und führen in Wahrheit nicht die Firma, sondern nur den Stift, mit dem sie alles unterschreiben, was ihnen vorgelegt wird. Die wahren Eigentümer bleiben in den meisten Fällen unbekannt.

Die Panama Papers haben erneut gezeigt, dass anonyme Briefkastenfirmen im großen Stil zur Geldwäsche und Steuerhinterziehung missbraucht werden. Deshalb herrscht weltweit große Einigkeit darüber, dass bestimmte Informationen über Unternehmen transparent sein sollten. Anti-Korruptions-Experten fordern schon seit langem ein globales, öffentlich zugängliches Firmen-Register, das die wahren Eigentümer verzeichnet. Die EU führt ein solches Transparenzregister ein: Ab 2017 müssen alle EU-Länder ermitteln, wer der wirtschaftlich Berechtigte eines Unternehmens ist. Firmen aber, die außerhalb der EU und vor allem Offshore registriert sind, bleiben erst mal weiterhin im Dunkeln. Bis auf jene, die nun durch die Panama Papers transparent werden.

Wo es Informationen über Briefkastenfirmen gibt

Mehr Transparenz

Der Name der ICIJ-Datenbank, in der nun einige Informationen aus den Panama Papers zu finden ist, klingt missverständlich: Offshore-Leaks-Datenbank. Offshore-Leaks? So hieß das erste große Steueroasen-Projekt, das vom ICIJ grenzüberschreitend organisiert und vor drei Jahren veröffentlicht wurde, auch unter Mitarbeit der Süddeutschen Zeitung. Schon damals machte das ICIJ anschließend Informationen zu Briefkastenfirmen in Steueroasen, ihren Vermittlern und Besitzern für die Öffentlichkeit zugänglich. Das damalige Leak beinhaltete interne Daten von rund 100.000 Briefkastenfirmen der beiden Offshore-Provider Portcullis und Commonwealth Trustnet. Diese Offshore-Leaks-Datenbank hat das ICIJ jetzt um Informationen aus den Mossack-Fonseca-Daten erweitert – aber eben nicht um die wertvollen Original-Dokumente wie Korrespondenzen, Verträge, Urkunden. Diese werden die Süddeutsche Zeitung und das ICIJ aus einer Vielzahl von Gründen auch in Zukunft nicht veröffentlichen oder an Ermittlungsbehörden weitergegeben.

In vielen Fällen führt die Suche nach einer Firma in der ICIJ-Datenbank daher nur zu Strohmännern und Scheinfirmen – oder weiterhin ins Leere, wenn die Briefkastenfirma auf einen sogenannten "Bearer Share" läuft: eine anonyme Inhaberaktie. Der Name des Eigentümers ist auf keiner Urkunde vermerkt. 

Deutsche Namen und Adressen

In der Datenbank finden sich auch rund 300 Namen und Adressen deutscher Privatpersonen und Firmen. Darunter sind Namen, über welche die Süddeutsche Zeitung bislang nicht berichtet hat und nicht berichten wird – etwa weil sich nach bisherigen Recherchen kein hinreichend hohes öffentliches Interesse an einer Berichterstattung ergeben hat. Der Besitz einer Briefkastenfirma ist an sich nicht illegal; und nur weil man etwas über die Vermögensverhältnisse einer Privatperson erfährt, darf man darüber nicht automatisch berichten.

Die deutschen Adressen, die in der Datenbank zu finden sind, gehören zu Vermittlern von Briefkastenfirmen ("Intermediaries") und Anteilseignern ("Officers"). Auffallend viele der deutschen Vermittler sitzen in Hamburg. Die Daten zeigen aber nur einen kleinen Ausschnitt des großen Ganzen. Einige prominente Intermediäre, wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank, tauchen unter anderem deshalb nicht mit einer deutschen Adresse auf, weil sie hauptsächlich über ihre ausländischen Filialen Briefkastenfirmen vermittelt haben. Viele andere deutsche Adressen stehen nur in den nicht online gestellten Original-Dokumenten der Panama Papers.

Bei den Eigentümern der Offshore-Gesellschaften verhält es sich ähnlich: In rund 250 Fällen lässt die ICIJ-Datenbank eine eindeutige Zuordnung zu einer deutschen Adresse zu (siehe Karte). Die Karte bildet aber bei Weitem nicht alle deutschen Kunden von Mossack Fonseca ab, sondern nur die Kunden, die keine zusätzliche Verschleierungsebene – beispielsweise durch eine Inhaberaktie – gewählt haben. 

Grafik: Martina Schories
Quelle: Panama Papers
Grafik: Martina Schories