Im Reich der Offshore-Könige
Die Panama Papers sind zwar das größte, aber nicht das erste Daten-Leak aus der Welt der Offshore-Firmen. Es gab zuvor schon Offshore-Leaks und Swiss-Leaks. Jedes dieser Lecks war anders, aber in allen fanden sich etliche Mitglieder nahöstlicher Königshäuser in den bis dahin geheimen Daten. Obwohl sie unermesslich reich, nahezu allmächtig und meist von jeglichen Steuern befreit sind, zählen sie offenbar zu den treuesten Kunden des Briefkastenfirmen-Vertriebs. Warum?
Die Offshore-Leaks-Daten nennen etwa den Sohn des früheren Vize-Premiers von Kuwait; Swiss-Leaks machte den Halbbruder des früheren saudischen Königs und den früheren katarischen Innenminister als Begünstigte von Schweizer Konten öffentlich. In den Panama Papers tauchen nun gleich 73 Angehörige von regierenden Herrscherhäusern aus Nahost auf, sogar der amtierende König von Saudi-Arabien. Ihre nahöstlichen Majestäten gehen offenbar gerne offshore.
Die Süddeutsche Zeitung hat nun zusammen mit mehreren arabischen Journalisten, deren Namen aus Sicherheitsgründen an dieser Stelle nicht genannt werden, die Offshore-Leaks, Swiss-Leaks und Panama Papers systematisch nach Mitgliedern der regierenden nahöstlichen Königshäuser ausgewertet. Daraus ist eine Datenbank entstanden, die zeigt, wie intensiv Herrscherfamilien intransparente Offshore-Stiftungen, geheime Schweizer Konten und verschachtelte Briefkastenfirmen nutzen.
"In diesem Teil der Welt verschwimmen die Grenzen zwischen Politik und eigenem wirtschaftlichen Interesse", sagt Robert Palmer von der Nichtregierungsorganisation Global Witness, "das bietet viel Raum für Korruption." Welches Geschäft ein Mitglied einer Königsfamilie für den Staat abwickelt und welches für sich selbst, bleibt oft unklar. Eine Pflicht zur Offenlegung gibt es für nahöstliche Herrscher in der Regel nicht. 27 der 73 Offshore-Adligen, deren Namen sich in den 2,6 Terabyte Daten finden, die der Süddeutschen Zeitung von einer anonymen Quelle zugespielt wurden, stammen aus Kuwait.
Die Königsfamilie der Al-Sabah vererbt die Macht über den kleinen Ölstaat seit über 250 Jahren, Familienmitglieder sitzen an allen Schlüsselstellen der Regierung. Doch viele Untertanen wollen die Monarchie nicht mehr als gegeben hinnehmen. So protestierten allein 2012 in Kuwait rund 100 000 Bewohner des kleinen Wüstenstaats gegen ihre Herrscher. Vorausgegangen war ein Bestechungsskandal, der das Emirat in seinen Grundfesten erschütterte: Regierungsmitglieder und loyale Abgeordnete sollen Bestechungsgeld in Höhe von 250 Millionen Euro angenommen haben. Emir Sabah al-Ahmad al-Dschabir al-Sabah löste daraufhin das Parlament auf.
Offenbar gibt es Gründe für die Mächtigen Kuwaits, ihr Vermögen zu verschleiern. Die SZ-Datenbank führt neben den Verwandten des Emirs, die in den Panama-Papieren als Anteilseigner, Begünstigte oder Direktoren von Briefkastenfirmen auftauchen, auch die Namen von 20 Familienmitgliedern. Sie stammen aus den als Swiss-Leaks bekannten Unterlagen über Schwarzgeldkonten der Großbank HSBC. Drei kuwaitische Adelige sind zudem in den Offshore-Leaks genannt - jenen Daten, mit denen 2013 die Serie der Steueroasen-Leaks ihren Anfang nahm.
Mehr Adelige als aus Kuwait sind es nur im weitaus größeren Saudi-Arabien: Allein 56 Angehörige der Königsfamilie Al-Saud tauchen in den drei großen Leaks auf, 17 in den Panama Papers.
Der Prominenteste ist der König selbst. Salman bin Abdulaziz bin Abdulrahman al-Saud war, bevor er Anfang 2015 den Thron bestieg, mehr als 50 Jahre Gouverneur der Hauptstadt Riad. In dieser Zeit wurde aus der Wüstenstadt eine Millionenmetropole und er selbst zum Multimillionär. Laut Panama Papers war er zumindest zeitweise Teilhaber zweier Firmen in Luxemburg. Die Shaf Corporation SPF/S.A. gehörte ihm demnach zusammen mit seiner inzwischen verstorbenen ersten Frau und sechs gemeinsamen Kindern.
Ein in dem Datenberg enthaltenes Schreiben aus dem Jahr 1996 zeigt, dass die Luxemburger Firma damals weitere sieben Briefkastenfirmen besaß. Einige davon wurden bereits in den späten 70er-Jahren aufgesetzt und sind inzwischen inaktiv. Offenbar betreibt der König sein schwer zu durchschauendes Firmennetz aber bis heute. Mindestens drei panamaische Briefkastenfirmen sind zumindest bis vor wenigen Wochen noch aktiv gewesen. Welche Geschäfte er genau über diese Firmen abwickelt, ist unbekannt. Auf SZ-Anfrage bat ein Sprecher der saudischen Botschaft in Berlin mehrmals um Aufschub - am Ende antwortete der Monarch jedoch nicht.
Es bleibt die Frage, warum ein unumschränkter Herrscher wie Salman bin Abdulaziz bin Abdulrahman al-Saud seinen Reichtum verschleiert. Steuergesetzen muss der König nicht ausweichen, er kann sie diktieren. Saudi-Arabien hat kein gewähltes Parlament, alle Macht liegt beim Monarchen und seiner Familie. "Deren Art reich zu werden, ist wirklich die extremste Form von Glück: Nur weil du der Herrscher eines Landes bist, das zufällig große Ölvorkommen besitzt und der Ölpreis stark ansteigt", sagt der französische Steuer-Ökonom Gabriel Zucman. "Da besteht immer das Risiko, dass die Menschen beginnen, die Legitimation deines Reichtums zu hinterfragen und sagen, das sei total unfair, während in der selben Region, dem Mittleren Osten, dutzende Millionen von Menschen in Armut leben." In Saudi-Arabien ist fast jeder dritte Jugendliche arbeitslos, eine gesellschaftliche Spaltung, aus der Aufstände entstehen können.
Über den Reichtum der Scheichs, Könige und Emire aus Nahost kann man wegen fehlender Transparenzgesetze nur mutmaßen - oder ihn anhand des sichtbaren Luxus beschreiben: Al-Mirqab etwa ist nicht nur ein Schiff, sondern ein schwimmender Palast: 60 Meter länger als das längste Passagierflugzeug, mit 5000 Quadratmetern Fläche, einem Kino, Pools, Bars und zehn Suiten - für gerade einmal 24 Gäste.
Bislang hieß es stets, der majestätische Kahn gehöre dem ehemaligen Emir von Katar, Hamad bin Chalifa al-Thani. Wie die Panama Papers zeigen, wurde der Bau jedoch von einer Briefkastenfirma namens Trick One Limited mit Sitz auf den Bahamas abgewickelt. Die Geschäfte der Firma führte laut den Papieren des panamaischen Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca (Mossfon) ein gewisser David Atkinson, angeblich der Kapitän des Schiffes. Als die Kanzlei im Jahr 2003 einen Routine-Check des Kunden Atkinson durchführen wollte und dafür um zwei Stromrechnungen bat, um die Identität und den Wohnsitz überprüfen zu können, antwortete Atkinson hitzig:
Die " " Due Diligence " " Dokumente, die sie angefordert haben, können nicht zur Verfügung gestellt werden. Zum Beispiel verlangen Sie 2 Stromrechnungen!!!!! Sie müssen eine andere Lösung finden.
Warum sind zwei harmlose Rechnungen zu viel verlangt? Weil es den geschäftsführenden Kapitän Atkinson womöglich gar nicht gibt. Die E-Mail-Adresse des "Captains" jedenfalls ist in den Panama Papers als Kontaktadresse für Scheich Hamad bin Jassim bin Jabber al-Thani geführt. Der ehemalige Außenminister und Premierminister Katars sowie Großcousin des katarischen Staatsoberhaupts ist einer der einflussreichsten Männer der arabischen Halbinsel.
In einer Mail an den Kapitän aus dem Jahr 2006 spricht ihn eine Mossack-Fonseca-Mitarbeiterin mit "dear Mr. Sheikh Hamad" an. Warum der Scheich anscheinend einen Decknamen braucht? Auf eine Anfrage der SZ antwortete er nicht.
Warum brauchen absolute Monarchen überhaupt Briefkastenfirmen? Zwei hochrangige Mitglieder einer Königsfamilie am Golf ließen auf Anfrage der SZ antworten, dass es in ihrem Land ja keine Steuern auf Einkommen, Zinserträge oder Immobilien gebe. Es sei also völlig unlogisch, zu glauben, die Firmen seien zur Steuervermeidung genutzt worden. Diese Aussage dürfe man aber nicht zitieren. Die Frage, wofür man die Firma denn dann brauche, wenn Steuerersparnis kein Grund ist, ließen sie unbeantwortet.
Klar ist: Der Arabische Frühling hat die Alleinherrscher im Nahen Osten verunsichert. Absolute Monarchien gibt es mittlerweile nicht mehr viele auf der Welt, die meisten jedoch in Nahost. Es ist der letzte Hort einer aussterbenden Regierungsform. Denn mittlerweile wollen auch dort die Bürger mehr Rechte, mehr Gerechtigkeit, mehr Demokratie. Und wenn selbst Muammar al-Gaddafi in Libyen oder Ägyptens Hosni Mubarak gestürzt werden konnten, wie sicher ist dann der Emir eines Golfstaates? Viele Herrscherfamilien fürchteten sich derzeit vor Machtverlust innerhalb der Familie oder gar einer Revolution. "Es geht darum, Geld außer Landes zu schaffen für den Fall, dass man das Land irgendwann nicht mehr kontrolliert", sagt der Nahost-Experte Guido Steinberg.
Tatsächlich tauchten schon in den Swiss-Leaks-Daten allerlei Getreue nahöstlicher Herrscher auf, etwa der Schwager des mittlerweile gestürzten tunesischen Machthabers Zine el-Abidine Ben Ali. Er hatte ein Konto in Genf mit mehr als 20 Millionen Dollar.
In den Panama Papers findet sich nun beispielsweise der Name Khalifa bin Zayed Al Nahyan, Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate. Er verfügte zeitweise über mehr als 20 Briefkastenfirmen, laut internen Unterlagen von Mossack Fonseca waren 14 davon Ende 2015 noch aktiv.
Als Al Nahyan 2011 einen Immobilien-Deal abwickeln wollte und bei Mossack Fonseca Prokura für eine Firma verlangte, herrschte Uneinigkeit darüber, was der Kunde für die Identitätsprüfung vorlegen müsse.
Frau Flax ist gerade im Urlaub. Aber ihre Anmerkungen zur Bereitstellung dieser Art von Vollmachten lauten: „[...]Wenn der Kunde bei der Beschaffung der Due Dilligence nicht mit uns kooperiert, sollte daraus die Annullierung der Vollmacht resultieren[...]“
[...] Nach der Kopie des Passes des Präsidenten eines Landes zu fragen, ist meiner Meinung nach ein bisschen zu viel verlangt.
Zu viel verlangt - dieses Selbstverständnis zeigen die Herrscherfamilien auch gerne auf ihren Reisen. Erst im Dezember 2015 wurde am Flughafen Zürich das Nachtflugverbot ausgehebelt, weil der ehemalige Emir von Katar einen Beinbruch in der Schweiz auskurieren wollte. Er soll mit einem Airbus eingeflogen sein, der im Linienbetrieb über 300 Personen transportieren könnte. Seine Gefolgschaft reiste mit drei weiteren Maschinen an, darunter ein Jumbojet. Insider erzählen, dass die Reichen aus Nahost an einigen Flughäfen der Welt ohne Pass einreisen können. Im Zweifel bestätige der jeweilige Botschafter die Identität.
Mit den nahöstlichen Adeligen und ihren Pässen scheint es so eine Sache zu sein. So ist es scheinbar auch jener Scheich Hamad, der Cousin des ehemaligen Emirs, gewohnt. Im Jahr 2011 wollte die Dependance von Mossack Fonseca in Luxemburg laut den Panama Papers Scheich Hamad eine Vollmacht für eine Briefkastenfirma ausstellen. Hamad war zu diesem Zeitpunkt Außenminister und Regierungschef, deshalb galt er als „Politisch exponierte Person“. Die Sachbearbeiterin wollte sich bei den Partnern der Kanzlei rückversichern, ob sie das Geschäft abschließen dürfe. Einer der Partner empfahl, vom Scheich eine Haftungsfreistellung zu fordern. Ein Dokument, das Mossack Fonseca von aller Verantwortung freistellen sollte, falls der Scheich illegale Geschäfte vorhätte. Für den Milliardär ein Affront:
„Bezüglich ihrer E-Mail mit der angehängten Haftungsfreistellung tut es mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich diese nicht unterschreiben werde. Wir nutzen Ihre Firma nun seit gut 25 Jahren, und in vielen Fällen treten Sie als Direktor auf. Ich wurde niemals gebeten, so eine Haftungsfreistellung zu unterzeichnen und wurde nicht informiert, dass ich so etwas unterschreiben sollte, wenn sie akzeptierten, als Direktoren zu fungieren.“
Das wirkt. Den Partnern genügt offenbar plötzlich die Kundenprüfung der vermittelnden Firma:
O.K. im Hinblick darauf, dass der Kunde die Due Dilligence des Klienten und der Luxemburger Bank passiert hat und wir diese schriftliche Kommunikation mit unserem Vermittler haben, empfehle ich – MEINERSEITS – grünes Licht für diese Anfrage.
„ebenfalls Ok“.
Ebenfalls okay war es für die Kanzlei offenbar, mit den umstrittenen Machthabern Bahrains Geschäfte zu machen. Prinz Nasser von Bahrain war mit seinem Bruder Khalid Anteilseigner einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln. Bahrains Opposition wirft Nasser bin Hamad al-Khalifa vor, zu Beginn des Arabischen Frühlings, als sich in seiner Heimat die schiitische Bevölkerungsmehrheit gegen die sunnitische Herrscherfamilie auflehnte, Gefangene gefoltert zu haben. Die Regierung hat dies stets bestritten.
Terrorfinanzexperten dürften sich indes besonders für zwei Länder aus den geleakten Dokumenten interessieren: Katar und Saudi-Arabien. Die Herrscherhäuser beider Länder werden schon seit Jahren verdächtigt, islamistische Gruppen etwa in Syrien zu unterstützen. Bis heute ist nicht restlos geklärt, welche Rolle das saudische Königshaus bei den Anschlägen des 11. September 2001 gespielt haben könnte. Die al-Sauds bestreiten jegliche Verwicklung. Ein entsprechendes Kapitel der 9/11-Untersuchungskommission ist jedoch seit Jahren unter Verschluss. Angeblich geht es auf den 28 Seiten auch um die geheimen Finanzströme zu den Drahtzieher und Attentätern der Anschläge: Finanzströme, wie man sie mit einem Netz von Briefkastenfirmen verschleiern könnte.